Das leere Restaurant

• Eine Marketing-Story • Stell dir vor, du würdest an einem Restaurant vorbeigehen, und draußen hängt keine Karte. Du müsstest hineingehen und nachfragen, was es…

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• Eine Marketing-Story •

Stell dir vor, du würdest an einem Restaurant vorbeigehen, und draußen hängt keine Karte. Du müsstest hineingehen und nachfragen, was es hier überhaupt zu essen gibt.

Da du hungrig bist und dich zwei Häuser weiter eine dicke Pizza auf einem Schild verlockt, gehst du erst einmal dort hin. Wer Pizza hat, der kann auch oft andere italienisches Speisen, und heute hast du so richtig Lust auf Nudeln. 

Immer mal wieder kommst du an dem anderen Restaurant vorbei. Es heißt einfach „Restaurant“. Drinnen sind die Lichter an. Draußen immer noch keine Karte. Irgendwann, als der Italiener geschlossen hat und du keine Lust hast, noch weiter zu laufen, gehst du seufzend die drei Stufen hoch und öffnest die Tür. 

„Herzlich willkommen!“, heißt es. 

„Was gibt es denn bei Ihnen?“, fragst du. 

„Wir haben Essen, gutes Essen.“ 

„Welches?“

„Was immer Sie möchten. Worauf haben Sie denn Lust?“ 

„Hmm … ich weiß nicht. Können Sie Schnitzel?“ 

„Ja klar. Wir können alles.“

„Haben Sie keine Karte?“ 

„Doch, doch“, sagt der Kellner und du bist erleichtert, eine Auswahl zu bekommen. Dann kannst du entscheiden, ob du dort überhaupt bleiben möchtest. Wenn du alles entscheiden musst, kannst du auch selbst kochen. 

Doch zuerst erfährst du, wie viele Ausbildungen der Koch gemacht hat. Er hat eine erstaunliche Transformation hingelegt. Vom Tellerwäscher zum Millionär, sozusagen. Durch eine spezielle Speise, du kennst sie nicht. Es klingt sehr exotisch. 

„Soll ich das mal probieren?“, fragst du dich. Aber du hast keine Ahnung, aus was es besteht. Was, wenn du es doch nicht magst? 

Du überlegst dir, ob du nicht doch besser weitergegangen wärst. Im Bistro am Marktplatz haben sie immerhin diese leckeren Baguettes mit Ziegenkäse und Feigenchutney. Die Suppen dort sind zwar nie heiß genug, aber bei dem Baguette können sie ja nicht viel falsch machen. 

Dann steht auf der Karte, dass der Koch so ziemlich alles kann. Speisen mit Fleisch, vegetarisch, vegan, glutenfrei. Er kann auch asiatisch, europäisch, US-amerikanisch, südamerikanisch und so weiter … also alles. Du winkst nach der Kellnerin und fragst, was es mit dieser Karte auf sich hat. 

„Wie gesagt, unser Koch ist top ausgebildet, er kann alles machen. Was möchten Sie denn essen?“ 

„Ich habe Lust auf Schnitzel, aber …“ 

„Schnitzel ist kein Problem. Mit Pommes oder Bratkartoffeln? Beilagensalat? Soße?“

Du bist erleichtert, dass man sich hier doch ein bisschen mit Kundenwünschen auskennt, und bestellst Pommes und Salat dazu. Und Pilzsoße. 

Erleichtert setzt du dich ins leere Restaurant. Du fragst dich, wovon diese Leute leben. Es gibt keine anderen Gäste. Na, kein Wunder, denkst du. Wenn du ihnen schon dieses Schnitzel geradezu aus der Nase ziehen musstest … 

Ein Koch mit so vielen Ausbildungen, denkst du, als das Schnitzel kommt. Der müsste doch so tolle Gerichte kreieren können. Warum macht er es nicht? Bei all den vielen Ausbildungen, die er gemacht hat, muss er doch eine Lieblingsküche haben. Italienisch vielleicht, oder etwas Asiatisches. 

Das Schnitzel ist vorzüglich. Als die Kellnerin noch mal vorbeikommt, fragst du sie, warum es keine richtige Karte gibt. Du seist verunsichert gewesen. Und jetzt sei doch alles sehr lecker. 

„Hmm“, sagt sie und zieht einen Stuhl heran, um sich zu dir zu setzen. „Der Koch möchte eben für jeden das richtige Gericht kochen. Deshalb möchte er sich nicht festlegen. Denn wenn er sich festlegt, dann gehen ja viele Menschen woanders essen.“

„So wie jetzt auch?“, fragst du und deutest auf die leeren Tische. 

„Nun ja“, sagt die Kellnerin etwas zerknirscht. „Wir hatten gehofft, es spricht sich herum.“ 

„Was? Dass es ein gutes Schnitzel gibt?“ 

„Na, dass es hier alles gibt. Alles, was das Herz begehrt!“ 

„Es ist wirklich ein gutes Schnitzel“, gibst du zu, denn du siehst, wie traurig sie ist, dass der Laden so schlecht läuft.

„Nicht wahr?“ Ihr Gesicht hellt sich auf.

„Aber ein gutes Schnitzel kann ich auch woanders haben.“ Du zuckst mit den Achseln. „Ganz ehrlich: Ich verstehe nicht, was ich hier bekomme.“ 

Wo es in der Nähe einen guten Cappuccino gibt, wissen wir meist.

Die Kellnerin beginnt zu erklären, aber in Gedanken schweifst du wieder ab. Die Lebensgeschichte des Kochs und seine vielen Ausbildungen und die vielen Gerichte, die er schon gekocht hat, interessieren dich nicht. Du hättest gerne mal wieder etwas Neues ausprobiert. Spanische Küche vielleicht. „Kann er Tapas?“, fragst du deshalb.

„Ja klar.“ 

„Kann er Sushi?“ 

„Ja, auch.“ 

„Hmm“, machst du. Es hat lecker geschmeckt und du bezahlst gerne deine Rechnung. Als du die Tür hinter dir schließt und nach Hause gehst, bist du ratlos. Würdest du deine Freunde dorthin mitnehmen? Wäre das ein Erlebnis? Nein. Es hat dich eher verunsichert. 

Vermutlich wirst du nur dann dorthin gehen, wenn du einen super speziellen Wunsch hast. In der Hoffnung, dass dieser Koch auch das kann. Für deine Pizza, dein Baguette und alles andere hast du bereits deine Plätze. Du lächelst. Morgen bist du mit deiner Freundin im Bistro am Marktplatz verabredet. 

Du vergisst sogar, ihr von deiner merkwürdigen Essenserfahrung zu sprechen, als ihr euch seht. Was solltest du auch erzählen? Dass du ein gutes Schnitzel gegessen hast? 

Drei Wochen später sind die Lichter in dem Restaurant aus. Es hängt ein Geschlossen-Schild an der Tür. Endlich weiß man, was hier los ist, denkst du und gehst weiter. 

Am nächsten Tag hast du das Restaurant und alles, was dazugehört, schon vergessen. 

Und die Moral von der Geschicht`? 

So wie dieses Restaurant sind viele Angebote im Internet. Vor dem Wort „Positionierung“ schrecken viele zurück. Aber es ist nicht mehr und nicht weniger, als eine Karte vor dein Restaurant zu hängen, auf dem man sehen kann, was es bei dir gibt. Was ist deine Spezialität? 

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